Premiere
Fast ganz die Deine – Monolog und Songs über die Liebe
nach Marcelle Sauvgeot bearbeitet von Polyformers
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Sarah Kralisch

„Warum fragen Sie mich: ‚Ob es denjenigen gibt, für den Sie
geschaffen sind?‘ Zu einer Frau sagt man: ‚Der, für den Sie
geschaffen sind‘ und zu einem Mann: ‚Die, die für Sie geschaffen
ist‘; hört man je: ‚Die, für die Sie geschaffen sind? Der Mann ist:
alles scheint zu seiner Verfügung zu stehen…”

Polyformers kombinieren den Text der Französin mit Songs und Fremdtexten feministischer Literatur sowie Interviews mit jungen Frauen von heute. Weil sie krank ist, muss sich die Protagonistin in „Fast ganz die Deine“, wie die Autorin, von ihrem Geliebten verabschieden. Kurz nach ihrer Ankunft in einem Sanatorium, erreicht sie seine Nachricht: „Ich heirate, unsere Freundschaft bleibt.“
Die anfangs romantisch Liebende, reagiert mit einer Serie von Texten auf diese Abschiedsworte. In ihrer Antwort, „Glauben Sie, dass das nötig ist?“, steckt der Anstoß für literarische Erkundung von Liebe, ihrer ebenso wie allgemein von Beziehung als gesellschaftliches Konstrukt und schließlich ihres Selbst. Vergangenheit gehört bewältigt, Gegenwart muss ertragen werden. Die nie abgeschickten und posthum veröffentlichten Briefe, geschrieben zwischen dem 7. November und dem 24. Dezember 1930, manifestieren Sauvageots tief empfundenes Wissen um soziale Ungleichheit und strukturelle Abhängigkeiten in einer patriarchal geprägten Welt. Zugleich sind sie der Versuch, Selbstermächtigung in der eigenen Sprache zu finden. So gelingt es Sauvageots Protagonistin schließlich, den Blick über alle Konstruktionen und Rollenbilder hinaus auch auf die Bedingungen und Möglichkeiten von Liebe als intersubjektive Erfahrung überhaupt zu wenden: »Ist der, für den man geschaffen ist, nicht der, für den geschaffen zu sein man annimmt?« Unabhängigkeit und Willensstärke paaren sich mit Selbstkritik und Zweifel. Beides tritt als Teil des Prozesses der Selbstfindung und -erhaltung vor den Herzschmerz. Brüche und Sprünge einer Lebensphase kommen zum Vorschein, dienen jedoch vor allem als Stoff für die radikale Dekonstruktion von Liebe und ihrer sozialen Bedingtheit.

Mit: Maj-Britt Klenke
Livemusik: Almut Lustig
Regie & Projektleitung: Fabian Rosonsky
Bühne & Kostüme: Sarah Methner
Dramaturgie: Lene Gaiser
Songs & Komposition: Matthias Erhard
Kommunikation: Sandra Ellegiers

Webseite Polyformers