Stückentwicklung
STIEFMUTTER HEIMAT – Meine Mutter das gestohlene Kind
von Wicki Kalaitzi und Joanna Lewicka
Stiefmutter Heimat_3
Stiefmutter Heimat_2
Stiefmutter Heimat_1

„Wickuschka, wer will das denn heute hören, was wir als Kinder durchgemacht haben und was uns
angetan wurde, keiner!“

LENKAS WIND

Das Erinnern,
Er- Rrrrinnern.
Er- Innern,
Wenn das Wort und die Aussprache schon so schwer sind,
Wie soll man sich da erinnern?
Es bleiben nur
Der Wind,
Die Haare im Wind,
Das Kleid,
Das Höschen und die Löcher darin,
Rot und weiss,
Keine Schuhe und Schmerzen.
Barfuss auf den Steinen hüpfend,
Füsschen, so schnell wie der Wind.
Zu groß ist der Schmerz.
Also schnell.
Weiter.
Wie der Wind.
Das einzige Kleid, weiss mit roten Blümchen drauf.
Nackte Körper auf dem nackten Holzboden.
Kinder, wie Sardinen,
Sich festhaltend.

Stiefmutter Heimat. Meine Mutter das gestohlene Kind ist ein Theaterabend, der von Wicki Kalaitzi
Wickuschka initiiert wurde und auf der wahren Geschichte der Lenka, ihrer Mutter, einem Opfer der
Kinderverschickung im griechischen Bürgerkrieg nach Mittelosteuropa basiert. Die Zuschauer_innen
werden auf eine künstlerisch dokumentarische Zeitreise mitgenommen, rund um die Themen
Vergangenheitsbewältigung, Herkunft(-en), Heimat(-en) und der Suche nach dem Zuhause.
„Erinnerung – Entführung – Mutter Europa“, Lenkas Odyssee führt uns durch Albanien, Jugoslawien,
Bulgarien und Rumänien in ein Breslauer Kinderheim, Leipzig und 1981 nach West-Berlin, wo sie bis
heute lebt. Lenkas Tochter Wicki, erzählt an dem Abend von Kontexten und dem Umgang mit ihren
Familienerinnerungen. Die Narrative verweist, zusammen mit dokumentarischen, tanzperformativen
theatralen und musikalischen Elementen auf die aktuelle und zeitlose Situation Schutzsuchender in
Europa. Die Stückentwicklung thematisiert somit einen generationsübergreifenden Prozess zu Fragen
der Vergangenheitsbewältigung unserer Töchter, Mütter, Großmütter, Urgroßmütter und schließlich
auch der Einen: Mutter Europa. Das Stück spielt in der Gegenwart und setzt die Geschichte in einen
direkten Bezug zum gegenwärtigen Diskurs zu Heimat und Entfremdung.
Wir leben in einer Zeit, in der die Vergangenheitsbewältigung und das (un)bewusste „Nomadentum“
zur alltäglichen Realität geworden ist. Dies verbinden wir oft mit Angstgefühlen, Obdachlosigkeit und
negativen Emotionen. Das Erzählen von persönlichen und intimen Geschichten, der Austausch,
ermöglichen uns, uns für weitere Geschichten zu öffnen und zurückzukehren zum Thema Opfer
sowohl polnischer, deutscher als auch griechischer Zeitzeugen und ihrer Erfahrungen. Das Erzählen
erlaubt uns, Fragen zu stellen: Was bedeutet Sehnsucht nach einer Heimat, einem Zuhause, einem
Zugehörigkeitsgefühl heute, ganz egal wo wir leben? Und wie übersetzt sich diese eine persönliche
Zeugen- Perspektive in eine universelle Perspektive und einen zeitlosen, interkulturellen Dialog? Es
scheint uns sehr wichtig, diese Fragen zu stellen.
Die Stückentwicklung wird Teil des Projekts „Stepmother Motherland“ von Joanna Lewicka, das sich
in Polen dem Thema Herkunft, Entwurzelung und mangelnder Zugehörigkeit widmet.

Mit: Wicki Kalaitzi und Lenka Kalaitzi
Regie: Joanna Lewicka
Ausstattung: Marta Góźdź (El Bruzda)
Multimedia: Aleksander Janas
Musik: Tomasz Krzyżanowski
Licht: Karol Rębisz
Plakat: Michał Jadczak
Foto- Dokumentation: José-Luis Mendoza
Regieassistenz: Olga Osuchowska
Produktionsleitung: Stiftung Fundacja od WSCHODU do ZACHODU

Produktion:
Theater unterm Dach Berlin, Stiftung Fundacja od WSCHODU do ZACHODU gefördert vom Amt für Weiterbildung und Kultur (Fachbereich: Kunst und Kultur) BA
Pankow von Berlin, Stiftung für Deutsch- Polnische Zusammenarbeit, Grotowski Institut Wrocław, unterstützt vom Polnischen
Institut in Berlin, Pilecki Institut.
Im Stück werden Zitate aus dem Gedicht STABAT MATER FURIOSA von Jean-Pierre Siméon verwendet.