Szenische Lesung
Ein Stück: Tschechien 2023 – szenische Lesungen
eingerichtet von Eberhard Köhler
Illustrationsbild-Lesungen
Zuzana Lazarová

Tomáš Dianiška: Spottschau (orig. Transky, body, vteřiny)
Aus dem Tschechischen von Barbora Schnelle

Das Stück ist inspiriert von der Lebensgeschichte der erfolgreichen Leichtathletin Zdena Koubková (1913-1986), der bei der Geburt fälschlicherweise die weibliche Identität zugeordnet wurde. Koubková wurde in der damaligen Sportwelt als „Wonderwoman“ gefeiert und hielt mehrere Weltrekorde (u. a. im 800-Meter-Lauf der Frauen). Im Jahr 1936 wurde sie durch einen Arzt als intersexuelle Person identifiziert, unterzog sich einer Geschlechtsumwandlung und wurde danach Zdeněk Koubek. Dianiškas Stück beschreibt neben dem Schicksal der Hauptfigur auch die Welt der 1930er Jahre mit ihrem zunehmenden Faschismus, durchdrungen von Homophobie, Transphobie und Geschlechterstereotypen. Die Inszenierung des Stücks am Petr-Bezruč-Theater in Ostrava gewann den Preis der Theaterkritik 2019 in den Kategorien Inszenierung des Jahres und Tschechisches Gegenwartsstück. Der Darsteller der Hauptrolle, Jakub Burýšek, wurde als Talent des Jahres ausgezeichnet.

Daniela Samsonsová: Regale (orig. Regály)
Aus dem Tschechischen von Martina Lisa

Das Stück spielt in einem Einkaufszentrum in einer mehr oder weniger fernen Zukunft, in der das Leben auf vielen Ebenen entgleist ist und die Menschen versuchen, sich mit allen und allem, was kommt, abzufinden – von Pandemien bis zu Krieg.
Das Stück gewann 2020 den ersten Preis im Dramenwettbewerb Havelsche Einakter und im selben Jahr den ersten Platz beim studentischen Dramenwettbewerb um den Evald-Schorm-Preis.

Natálie Bočková: Auf dem Wannenrand (orig. Na okraji vany)
Aus dem Tschechischen von Maira Neubert

Das Stück ist ein Beziehungsmikrokosmos – zwei Welten, Ideen, Wahnvorstellungen und Ideale, und vor allem der Wunsch, jemand zu sein und mit jemandem zusammen zu sein. Es ist die Geschichte aus einem Badezimmer, in dem die Geister der Vergangenheit in den Morgenstunden zurückkehren. Das Stück gewann den 3. Platz beim Evald-Schorm-Preis 2022.

Auf Deutsch. Eintritt frei.

Anschließend: Gespräch mit den Dramatiker:innen und Theatermacher*innen.

Festivalleitung und Produktion: Barbora Schnelle und Henning Bochert

Tomáš Dianiška (*1984) studierte Schauspiel an der Theaterfakultät der Akademie der Musischen Künste in Prag und wurde Ensemblemitglied des F. X. Šalda-Theaters in Liberec, wo er mehr als 30 Rollen spielte. Er ist Hauptautor und Schauspieler des F. X. Kalba-Theaters, das ursprünglich als „Punk-Ableger“ des F. X. Šalda-Theaters gegründet wurde, sich aber später verselbständigte und mit dem Palmovka-Theater fusionierte. Dianiška schreibt seiner Beschreibung nach Pop-Stücke, die bekannte kulturelle Phänomene auf satirische Weise unter die Lupe nehmen. In seiner originell-eklektischen Art mischt er verschiedene Genres, neben dokumentarischem Material bezieht er auch Groschenromane, Western oder Comic-Helden ein. Für seine Theaterstücke hat er eine Reihe bedeutender Preise erhalten.

Daniela Samsonová (*1998) begann schon während ihrer Gymnasialzeit, erste Stücke zu schreiben. Nach dem Abitur studierte sie zwei Jahre lang Theaterwissenschaft an der Philosophischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag, bevor sie an der Janáček-Akademie der Darstellenden Künste in Brünn ein Regiestudium aufnahm. Mit ihrem Monodrama Tohle není vaše Karenina (dt. Das ist nicht Ihre Karenina) belegte sie den ersten Platz beim Europäischen Jugendtheaterfestival in Spoleto, Italien. Während ihres Bachelorstudiums gewann sie mit ihrem Text Regály (dt. Regale) den Wettbewerb für das beste originelle Kurztheaterstück unter dem Titel Havelscher Einakter und im selben Jahr auch den Ewald-Schorm-Preis. Vor ihrem Bachelor-Abschluss arbeitete sie an dem Text Hrdinky (dt. Heldinnen) für eine gleichnamige Aufführung des Theaters Husa na provázku in Brünn mit. Neben ihrer Tätigkeit als Regisseurin und Autorin ist sie auch mit ihrem Theater-Podcast mit dem Titel Dvě věci a chlebíček (dt. Zwei Sachen und Schnittchen) bekannt geworden.

Natálie Bočková (*2001) begann ihre Theaterlaufbahn als Amateurtheatermacherin. 2019 gründete sie dann ihre erste Theatergruppe Beztyátr, mit der sie ihr Stück Kolaborant (dt. Kollaborateur) inszenierte. Derzeit leitet sie die Theatergruppe Karapax in Hradec Králové, mit der sie sich vor allem mit Outdoor-Theaterformen beschäftigt, und studiert Theaterdramaturgie an der Janáček-Akademie für Musik und Darstellende Kunst in Brünn. Im Jahr 2023 belegte sie mit ihrem Stück O vedlejších postavách (dt. Über die Nebenfiguren) den zweiten Platz in einem von der Václav Havel Library Foundation organisierten Theaterwettbewerb. Ihre Texte Úsměvy šťastných lidí (dt. Das Lächeln glücklicher Menschen) und Na okraji vany (dt. Auf dem Wannenrand) belegten 2022 den dritten Platz im Wettbewerb um den Ewald-Schorm-Preis.

Einrichtung:

Eberhard Köhler hat in Zürich Regie und Schauspiel studiert zunächst am Staatstheater Saarbrücken gearbeitet und ist seit 30 Jahren freier Regisseur. Über 100 Inszenierungen an Staats-, Stadt- und Freien Theatern, dann zunehmend auch international in der Schweiz, Luxembourg, Südkorea, Nordmazedonien, USA. Besonders in Russland fanden zahlreiche Inszenierungen in St. Petersburg, aber auch in Velikiy Novgorod, Perm, Moskau und Woronesch statt. Seit zehn Jahren unterrichtet er an staatlichen und privaten Schauspielschulen, derzeit an der UdK, der Universität Potsdam, Theaterakademie Sachsen/Delitzsch und der HKB Braunschweig/Hannover, auch in St. Petersburg, Ankara, Pomona und Las Vegas (USA) sowie in Linz.

Ausstattung:

Danila Korogodsky schloss 1977 die Leningrader Theaterakademie als Bühnen- und Kostümbildnerin ab. Nach seinem Abschluss arbeitete er als fest angestellter Designer am Leningrader TYS (Theater für junge Zuschauer) und für Theater im ganzen Land und entwarf mehr als 80 Produktionen für verschiedene Unternehmen. Im Jahr 1989 wurde er eingeladen, eine Show am Honolulu Theater for Youth zu entwerfen. Seitdem arbeitete er in den Vereinigten Staaten als Bühnenbildner und Designprofessor. Er entwarf mehr als 300 Produktionen in den USA und auf der ganzen Welt. Von 1996 bis 2019 unterrichtete er Bühnenbild an der California State University, Long Beach, und, als Gast, am California Institute of the Arts in Valencia, CA. Im Jahr 2005 wurde er künstlerischer Leiter des Theaters Pokoleniy in St. Petersburg, Russland. Bis Februar 2022 hat er mit seinem Ensemble mehr als 30 Projekte konzipiert und inszeniert. Nach Ausbruch des Krieges mit der Ukraine verließ er Russland und lebt heute in Berlin